Darauf können sich wohl die meisten Eltern und PädagogInnen einigen: dass sie ihre Kinder stärken wollen, dass sie ihr Selbstbewusstsein aufbauen wollen. Sie wollen, dass es den Kindern gut geht und sie eine soziale Kompetenz entwickeln.
Ich schwöre auf die Kraft des Theaterspielens und auf die Magie der Verwandlung. Allerdings empfehle ich auch genau hinzuschauen:
ACHTUNG! Ein Blick hinter die Kulissen
Eine Theaterproduktion mit Kindern läuft sehr oft so ab: Man pickt sich die zwei Begabtesten einer Gruppe heraus und gibt ihnen die Hauptrollen. Das sind übrigens sehr oft Kids, die schon im Leben Hauptrollen spielen. Sie werden von zu Hause gut gefördert, spielen vielleicht Chello oder Schach, sind in der Schule beliebt.
Der Rest der Gruppe bekommt die kleinen, nicht so attraktiven Rollen. Man macht es ihnen natürlich so schmackhaft wie möglich, denn schließlich sind es zu einem Großteil ihre Kursgebühren, die das Ganze finanzieren. Das heißt, sie müssen immer wieder Grund zur Hoffnung haben, dass sie bald eine größere Rolle bekommen. „Wenn du den Baum gut spielst, kannst du vielleicht nächstes Jahr die Prinzessin spielen!“, „Ich sehe, dass du dich entwickelst…“
Dann wählt man Stücke aus, die einen gewissen Bekanntheitsgrad haben (Disney…) und investiert in tolle Kostüme und Maske und/oder motiviert ehrgeizige Eltern, mitzuarbeiten. Ein tolles Bühnenbild, professionelles Licht und Fotos machen ebenfalls viel, beeindrucken Eltern und Kinder im Publikum und im Internet.
Was man jedoch auf den Fotos meistens nicht sehen kann, die Frustration der vielen hinter den Kulissen, die nur für ein paar kurze, unbefriedigende Momente im Rampenlicht stehen, meist gemeinsam mit vielen anderen (und dafür viele Wochen oder sogar Monate stundenlang geduldig auf den Proben waren), der Leistungsdruck der Hauptrollen, die sich ununterbrochen bewähren müssen, der Perfektionismus, die Konkurrenz innerhalb der Gruppe, die ausgestreckten Ellbogen, den Stress…
Man kann sagen: So ist das halt am Theater. Man kann sagen, es ist eine professionelle Produktion, weil viele Dinge am Theater und beim Film ganz genauso ablaufen. Welche Schrammen das Gefühl, nicht zu genügen, nicht gut genug zu sein bzw. ja keinen Fehler zu machen, die Beste sein zu müssen bei einer sensiblen Kinderseele hinterlässt, vermag ich nicht zu sagen.
Was ich jedoch sagen kann, dass es möglich ist, anders mit Kindern zu arbeiten.
SO GEHT EMPOWERMENT!
Mir geht es wirklich um Ermutigung, mir geht es um Gemeinschaft und Solidarität.
In meinen Workshops gibt es fix nur Hauptrollen. Niemand muss einen Baum spielen! Jede/r darf sich immer aussuchen, was und wen sie oder er spielen mag. Das ist mir so enorm wichtig, dass das, was gerade lebendig ist, einen Ausdruck finden kann.
Es ist natürlich ganz schön knifflig, dass sich da noch eine Geschichte ausgeht, aber diese Challenge nehme ich gern an und wachse jedes Mal daran. Und die Geschichten, die wir spielen, werden von den Kindern und Jugendlichen selbst entwickelt, es sind Themen, die ihnen aktuell unter den Nägeln brennen.
Wichtig ist die Ermutigung der stilleren und schüchternen Kinder, sie bekommen Raum zum Entfalten.
Das geht nur mit ganz behutsamen Vertrauensaufbau. Alle sind gut so, wie sie sind. Das ist nicht nur so dahingesagt: Das ist mein safe place, in dem sich alle nach und nach entfalten können.
Da gibt es keine Perfektionismus, da gibt es dafür Ausgelassenheit und Freiheit und alles, was meiner Meinung nach zu einer echten gesunden Kindheit gehört.
Der „SPREAD YOUR WINGS“ MOMENT
Meine persönlichen Gänsehautmomente sind wenn du merkst, das jemand, der das vorher vielleicht noch nie getan hat, sich öffnet und sich dabei wohlfühlt. Wenn die anderen staunen, weil sie diesen Menschen, den sie vielleicht schon sehr lange kennen, noch nie SO gesehen und gehört haben, weil sie nicht geahnt haben, was in ihm oder ihr steckt.
Noch was: Mir geht es in erster Linie um die Menschen, die spielen. Sie muss ich in ihrer Verletzlichkeit schützen.
Erst dann kommt das Stück, erst dann kommt das Publikum, und irgendwann die Kostüme, das Bühnenbild.
Die Menschen, die die Erfahrung machen, gesehen zu werden und die über sich hinauswachsen können. Menschen, die Selbstermächtigung spüren und erleben, dass sie ihre Welt aktiv gestalten können. Menschen, die Empathie entwickeln, indem sie einmal in ein anderes Leben schlüpfen und forschen, wie sich das anfühlt.
Das Alles ist wahrscheinlich nicht auf den ersten Blick sichtbar und auch nur schwer beschreibbar, aber genau darum geht es mir in meinen Theater-Workshops für Kinder.